Bericht Berlin/Warschau Fahrt

Bericht Berlin und Warschau Fahrt Vom 19. bis 25. Juni 2025 war ich auf einer Gedenkstättenfahrt nach Berlin, Warschau und Treblinka. In dieser Woche haben wir viele Museen und Denkmale besucht, an denen an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert wird. Dabei haben wir nicht nur über die schlimmen Geschichte der Menschen gesprochen, sondern auch darüber, wie Menschen und Gefangene in der Zeit mit der Situation umgegangen sind. Besonders beeindruckt hat mich, wie viele Menschen trotz Verfolgung, Gewalt und Todesangst versucht haben, ihre Erlebnisse aufzuschreiben.Als Tagebuch, als Gedicht oder einfach als kurze Notiz. Diese Einträge wurden nach der Befreiung gefunden. Ein Ort, der mich besonders berührt hat, war das Jüdische Museum in Berlin. Dort ist das Gebäude selbst schon ein kleines Kunstwerk. Im Keller des Museums gab es drei lange Gänge. Jeder Gang steht für etwas anderes: Die Achse des Holocaust, die Achse des Exils und die Achse der jüdischen Geschichte in Deutschland. Die Achse des Holocaust führt in einen dunklen, Raum ohne Fenster. Man fühlt sich dort allein und einsam. Der Gang vermittelt eine kalte Stimmung. Die Achse des Exils endet in einem Garten mit schrägem Boden.Der Weg dorthin ist steil, und man kann nicht gerade gehen. Er ist steil und eher anstrengend zu gehen, am Ende des Ganges folgt der Garten. Der Gang endet im hellen, die anderen beiden Gänge nicht. Am Ende dieser Achse stand ein Gedicht. Die anderen beiden Achsen endeten still, ohne Worte. Nur eine schwarze Wand. Diese verschiedenen Arten des Endes verdeutlichen, wie wichtig es war, dass man an einem Platz endet an dem deine Worte Bedeutung haben und es Hoffnung gibt. Ein ganz besonderer Raum war für mich der „Leere Raum“, in dem das Kunstwerk „Gefallenes Laub“ liegt. Dort liegen über zehntausend runde Metallplatten mit ausgeschnittenen Gesichtern auf dem Boden. Die Gesichter haben offene Münder, manche sehen aus als würden sie schreien, manche sehen leer/traurig aus. Wenn man darüber läuft, klirrt es laut. Der Lärm klingt wie Schreie. Das Gehen fühlt sich unheimlich und schwierig an. Man möchte eigentlich gar nicht weiterlaufen, weil es sich anfühlt, als würde man auf Menschen treten. Die Decken des Raumes sind sehr hoch und er ist eher kalt gestaltet. Dieses Kunstwerk hat uns alle sehr getroffen. Es zeigt, wie viele unschuldige Menschen im Holocaust getötet wurden, wie viele Menschen leiden mussten und das klirrende Geräusch beim Laufen zeigt auch, wie schlimm es den Menschen gehen musste. Nur weil sie eine Religion hatten, welche damals nicht akzeptiert wurde? das ist Kunst: Sie zeigt uns, was Worte damals nicht sagen konnten. Das Kunstwerk ist einfach zu verstehen und bringt direkt eine düstere Stimmung mit sich, man fühlt dadurch ein wenig, wie die Menschen damals gelitten haben mussten. Während der Fahrt haben wir viele Texte gelesen, die Menschen im Ghetto oder im Lager heimlich geschrieben haben. Diese Tagebuchtexte waren für mich das Schlimmste. In einem Eintrag ging es um eine Frau, die im Lager arbeiten musste. Ihre Aufgabe war es, Kleider nach Farben zu sortieren, die den ermordeten Menschen vorher weggenommen wurden. Beim Sortieren entdeckte sie plötzlich ein kleines Hemd. Es war das Hemd ihrer Tochter. Sie erkannte es sofort. Es war das letzte Stück, das ihr von ihrer Tochter geblieben ist. Sie umarmte das Kleidungsstück lange und packte es ein. Dieser Moment muss unfassbar schlimm für die Frau gewesen sein.Worte reichen kaum aus, um den Schmerz dieser Frau zu beschreiben, und doch hat sie es aufgeschrieben. Auch das ist eine Form Der Kunst: Erinnern gegen das Vergessen, gegen das vergessen ihrer Tochter In einem anderen Text schrieb ein Mann, der im Vernichtungslager Treblinka arbeiten musste, wie er den neu ankommenden Menschen die Haare rasieren musste, kurz bevor sie in die Gaskammern mussten. Darunter waren leider auch seine Verwandten. Er konnte ihnen nicht sagen, was passieren würde. Seine Verwandten haben ihn mehrfach gefragt und sich sehr gefreut, ihn zu sehen.Er hat es Ihnen nicht gesagt, er hat sie einfach nur ganz fest umarmt und ihnen gesagt, dass er sie liebt. Minuten später waren sie tot. Auch dieser Text war sehr schwer zu lesen, danach haben wir alle noch lange drüber nachgedacht. Für mich sind solche Aufzeichnungen heute eine besondere Form von Kunst. Keine Kunst, die schöne ist oder in die man verschiedenes hineininterpretieren kann, sondern eher eine, die die Wahrheit zeigt. Diese Menschen wollten mit ihren Worten nie berühmt werden. Sie wollten, dass jemand irgendwann liest, was passiert ist, dass jemand weiß, wie es war. In einem weiteren Tagebuch ging es um eine Familie, die nur deshalb ins Lager kam, weil der Vater als „asozial“ galt. Als die SS kam, war der Vater nicht da, also nahmen sie einfach die Mutter und das Kind mit. Ohne Grund! Auch das zeigt, wie Sinnlos und grausam die Entscheidungen der Nationalsozialisten waren. In einem anderem Brief ging es um ein Kind, das seinem Vater einen Abschiedsbrief geschrieben hatte.Und erklärte dass die Kinder einfach lebend in die Grube geworfen werden. Das Kind schreibt mehrfach, dass es Angst vor dem Tot hat. Das Schlimmste beim lesen war, dass man nicht weiß ob der Vater diesen Brief je bekommen hat… Im Nationalsozialismus haben die Nazis Medien wie Radio, Zeitungen, Plakate und Filme benutzt, um ihre Lügen zu verbreiten. Heute nennen wir das Propaganda. Die echten Stimmen der Opfer wurden nie gezeigt. Sie wurden unterdrückt oder vernichtet. Deswegen ist es so wichtig, dass wir heute die Texte, Bilder und Erinnerungen der Opfer zeigen. Für viele war Schreiben der letzte Halt. Manche haben sogar Gedichte geschrieben oder Zeichnungen gemacht (besonders Kinder).Auch das war eine Form von Widerstand leise, aber stark, und das einzige, was ihnen übrig blieb. Diese Texte müssen immer weiter gezeigt werden, diese Menschen dürfen niemals vergessen werden. Ein besonderes Erlebnis war für mich das Gespräch mit der Zeitzeugin Barbara Piotrowska. Sie war als Kind im Konzentrationslager Ravensbrück. Heute lebt sie in Warschau, hat zwei Kinder und ist Großmutter. Sie arbeitet ehrenamtlich im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus mit.Sie erzählte, wie sie überlebt hat und wie wichtig es für sie ist, dass wir uns erinnern. Sie hat Schreckliches erlebt – aber sie hat nicht aufgegeben und tut heute etwas Gutes, damit so etwas nie wieder passiert. Ihr Vater ist nach zwei Tagen im KZ gestorben. Nur sie und ihre Mutter überlebten. Diese Fahrt hat uns alle, glaube ich, sehr zum Nachdenken angeregt. Wir haben nicht nur gelernt, was damals geschehen ist, sondern auch gespürt, was es bedeutet, wenn Menschen unterdrückt, verfolgt und getötet werden… oft einfach nur, weil sie anders waren. Ich habe verstanden, wie gefährlich es ist, wenn Medien missbraucht werden, um Hass zu verbreiten. Und ich habe gesehen, wie stark Worte sein können, auch wenn sie heimlich geschrieben wurden. Kunst und Medien waren damals ein Mittel beider Seiten. Die Nazis nutzten sie, um zu zerstören. Die Opfer nutzten sie, um zu überleben und zu erinnern. Ich finde, dass man solche Fahrten machen sollte, damit niemand vergisst, was passiert ist. Damit wir lernen, hinzusehen, nachzufragen und zu probieren, zu fühlen was diese Menschen fühlten, auch wenn wir es niemals können werden. Und vor allem: Damit sich so eine Geschichte niemals wiederholt!